Die WHO empfiehlt 150 Minuten Training pro Woche - etwa 20 Minuten pro Tag. Reicht das aus, um gesund zu bleiben, wenn man den Rest des Tages sitzend verbringt? Neue Studienergebnisse dazu werden Sie wahrscheinlich überraschen.
Menschen mit Büroberufen verbringen etwa zwei Drittel des Tages sitzend. Neben den Stunden im Büro gibt es Zeit im Auto, bei den Mahlzeiten und schnell noch ein paar weitere Stunden "Bildschirmzeit".
Dass langes Sitzen ohne Unterbrechung Tag für Tag nicht gesund ist, wissen wir spätestens seit "Sitzen ist das neue Rauchen". Wer die meiste Zeit des Tages im Stuhl verbringt, bekommt nicht nur langfristig Rückenschmerzen, sondern erhöht auch dramatisch das Risiko vieler Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herzkrankheiten, Schlaganfall, Krebs, Depressionen und Demenz. [1][2][3][4]
Treffen Sie den aktiven Couch-Potato
Wie sieht es mit denen aus, die nach der Arbeit 3 oder 4 Mal pro Woche ihre Laufschuhe schnüren oder ins Fitnessstudio oder Yogastudio gehen, die sogenannten "aktiven Couch-Potatoes"? Eine amerikanische Studie [5] hat untersucht, wie sich regelmäßige Bewegung bei ansonsten sitzender Tätigkeit auf die vorzeitige Sterblichkeit, Herzkrankheiten, Krebs und Diabetes auswirkt. Das Fazit war, dass die Zeit im Sitzen ein unabhängiger Risikofaktor ist und nicht durch Sport ausgeglichen werden kann.
Eine Studie [6] mit 220.000 Australiern kam zu sehr ähnlichen Ergebnissen: Die Lebenserwartung war kürzer, je mehr Zeit sitzend verbracht wurde - wiederum unabhängig von anderen sportlichen Aktivitäten.
Nicht zum Sitzen gemacht
Wie lässt sich das medizinisch erklären? Warum macht uns Sitzen krank und warum kann selbst täglicher intensiver Sport daran nichts ändern? Evolutionsbiologen sind sich einig, dass unsere nomadischen Vorfahren nur etwa drei Stunden am Tag sitzend verbrachten. Technische Vereinfachungen, motorisierter Transport und Schreibtischarbeit haben den sitzenden Alltag erst seit etwa 150 Jahren zum unbestrittenen Status quo gemacht. Mit dieser schnellen Veränderung sind jedoch unsere auf Bewegung programmierten Gene und damit unser Stoffwechsel und unser Bewegungsapparat hoffnungslos überfordert.
Beim Sitzen sind die Muskeln, insbesondere in den Beinen, mehr oder weniger inaktiv. Dies erhöht den Blutzuckerspiegel und verlangsamt den Blutfluss. Nach nur wenigen Minuten nimmt auch die Aktivität eines Enzyms ab, das den Spiegel der Fette im Blut erhöht. Ein chronisch erhöhter Zuckerspiegel und ein Überschuss an freien Fettsäuren im Blut führen langfristig zum Auftreten von Gefäßerkrankungen und Diabetes.
Training erhöht unseren Energieverbrauch nur unwesentlich
Wissenschaftler aus Finnland wollten wissen, wie viel mehr Energie wir an Tagen verbrauchen, an denen wir Sport treiben. Selbst intensives Training erhöht den Kalorienverbrauch im Durchschnitt nur um etwa 10 %. Ein interessantes Nebenergebnis dieser Studie: Wer viel Sport treibt, scheint dies sogar unbewusst auszugleichen, indem er noch mehr sitzt [7].
Eine Studie [8] aus Texas untersuchte auch, ob intensives Training einen Effekt auf den Stoffwechsel einer kalorienreichen Mahlzeit bei Menschen hat, die viel sitzen. Eine Stunde intensives Training machte keinen signifikanten Unterschied bei der Erhöhung der Blutfettwerte, wenn die Probanden ansonsten den ganzen Tag saßen. Wer genauso viel saß, aber zusätzlich 17.000 Schritte schaffte, erzielte deutlich bessere Werte.
Bewegung ist ein Grundrecht und eine Notwendigkeit
Bis jetzt haben sich Gesundheitsempfehlungen auf eine bestimmte Anzahl von Minuten Sport pro Woche konzentriert. Obwohl Sport zweifellos viele gesundheitsfördernde Effekte hat und daher niemals vernachlässigt werden sollte, spiegeln solche Empfehlungen nicht mehr die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse wider. Angesichts der erheblichen Gesundheitsrisiken, die mit einem sitzenden Lebensstil verbunden sind, benötigen wir einen politischen und sozialen Konsens, um die Sitzzeit, wenn möglich, auf weniger als 4 Stunden pro Tag zu begrenzen.
Dies kann nur umgesetzt werden, wenn es auch die Möglichkeit gibt, es im Alltag in die Praxis umzusetzen. Büros müssen so umgestaltet werden, dass das menschliche Bedürfnis nach Bewegung als grundlegende Voraussetzung für die Erhaltung der Gesundheit anerkannt wird.
Über den Autor

Walkolution entwickelt ergonomisch optimierte Laufband-Schreibtische, die helfen, mehr Bewegung in den täglichen Arbeitsalltag im Büro oder Homeoffice zu bringen.
Fotokredit: Jozsef Hocza